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Caro's Welt

14. September 2023

Caros Kindheit mit einer alkoholkranken Mama

Hier findet ihr Geschichten aus meiner Kindheit, geprägt von den Auswirkungen des Alkohols auf meine Mama und mich.

ERNSTL. Erinnert ihr euch noch? Das war die begehrteste Buchstabenkombination, mit der Kandidat:innen beim Glücksrad im Superspiel Begriffe erraten wollten. Ich war ein großer Fan der Show. Als Familie saßen wir an Wochentagen um den Esstisch im Wohnzimmer. Gemeinsam gebannt. Wir waren alle zusammengekauert um den Tisch auf der Couch, während die Katzen und der Neufundlänger zwischen uns und auf uns lagen. Es war so gemütlich.

Mama kochte abends gerne, vor allem Aufläufe. Wenn der Duft von warmen Essen durch das Haus zog, verbreitete sich eine behagliche Atmosphäre. Selbst Nikotin roch angenehmer, wenn es sich mit dem Duft von köstlichem Essen aus der Küche vermischte. In diesem Moment ließen wir alle den Stress hinter uns. Nach den ersten Bissen, wenn der größte Hunger gestillt war, entschwand die Anspannung langsam auch aus meinem Körper. Meine Atmung wurde ruhiger und die hektischen Gedanken in meinem Kopf entspannten sich. Wir wetteiferten darum, wer am besten raten konnte. Mama war euphorisch und meistens die Schnellste. Ihr lagen Worte. Ich mochte besonders Maren Gilzer. Sie war so wunderschön, so gepflegt und strahlte eine gewisse Ruhe aus. Ich freute mich auch immer für die Kandidat:innen, die am Ende der Show Unmengen an neuen Haushaltsartikeln aussuchen durften. Ich stellte mir vor, wie sie ihr Zuhause damit verschönern konnten. 

„Mama kochte am liebsten Ratatouille. Ich konnte Gemüseauflauf nicht ausstehen.“

Mama kochte am liebsten Ratatouille. Ich konnte Gemüseauflauf nicht ausstehen. Im Sommer gab es oft Zucchiniauflauf. Zucchini wuchsen wie Unkraut auf dem Hügel neben unserem Kartoffelacker. Daher gab es Zucchini in den verschiedensten Variationen. Eines Tages musste ich den Auflauf allein in der Küche essen. Ich saß am Tisch, während Mama daneben stand. Sie hatte keinen Appetit und trank gerade ihren Kochwein, den sie für die Zucchinisuppe brauchte. Papa war noch im Laden und erledigte die Abschlussarbeiten. Er kam immer nachmittags aus dem Büro und arbeitete dann bis abends in Mamas Laden.

Morgens bereitete er Mama den Laden vor, bevor er ins Büro fuhr. Zwischen 5 und 6 Uhr morgens sortierte er immer die frisch gelieferten Zeitungen und Zeitschriften für sie, nachdem er mir mein Frühstück in der Küche vorbereitet hatte. Bevor ich zu Abend aß, war ich bei meinen Großeltern im Garten. Es war ein heißer Tag, der Abend war noch jung. Draußen war es sonnig und warm. Das Küchenfenster stand weit offen und die Vögel zwitscherten. Ich konnte meine Tante aus der Ferne hören, wie sie im Garten die Hühner einfing. Ich hatte überhaupt keine Lust, drinnen zu sitzen. Meine Wangen glühten und ich war verschwitzt. Ich hatte noch keinen Appetit, vor allem nicht auf Zucchiniauflauf. Ich hatte auch keine Lust, allein am Tisch zu sitzen. Doch schnell merkte ich, dass Mama entschlossen war, ihren Willen durchzusetzen. Ich sollte mein Essen aufessen, sonst durfte ich nicht aufstehen. Mir war klar, dass sie nicht nachgeben würde. Mama konnte knallhart sein, im Gegensatz zu Papa. Und dennoch spürte ich sie kaum. Sie sah mich kaum an, sie redete sich in Rage. Sie steigerte sich rein. Und dann übergab ich mich über den Tisch. Das brachte sie noch mehr zur Weißglut, vielleicht fühlte sie sich provoziert... oder überfordert. Überfordert von ihrer eigenen Wucht in dieser Situation, war sie in einer Sackgasse gelandet? Oder blieb sie einfach konsequent? Hätte das jedem passieren können? 

„Mama konnte knallhart sein, im Gegensatz zu Papa. Und dennoch spürte ich sie kaum.“

Wäre es auch passiert, wenn sie nüchtern gewesen wäre? Ich wollte mich nicht übergeben. Es geschah einfach. Ein Schwall, der aus mir heraus musste. Sie war stinksauer und zugleich schien sie verzweifelt. Es musste für sie eine furchtbare Erfahrung gewesen sein. Mir tat es leid und ich ärgerte mich, dass ich das Essen nicht bei mir behalten konnte. Ich ärgerte mich kaum über sie. Dafür war ich zu klein und ich hatte generell wenige Erwartungen an Mama. Es war für mich schon etwas Besonderes, mit ihr alleine Zeit zu verbringen und vor allem so sehr im Mittelpunkt zu stehen. Schade, dass es dann nur um den Zucchiniauflauf ging und ich ihr wenig erzählen konnte, was ich erlebt hatte.

Generell konnte ich wenig Erfahrungen mit meinen Eltern reflektieren. Deshalb liebte ich es, wenn Freundinnen bei mir übernachten durften. Ich erinnere mich an eine ganz besondere Nacht. Wir bauten uns eine Höhle aus Schaumstoffwürfeln, Kuscheltieren und Decken – ein kuscheliger Urwald. Wir redeten stundenlang. Unsere Finger strichen über unsere Rücken und formten dabei endlose Buchstaben. Ich liebte diese Nähe und Berührungen...

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