#lostchilds2024
Als ich ein Kind war, musste alles was ich tat, wenn ich es tat, besonders sein. Nicht unbedingt im Alltag, da war ich oft sehr pragmatisch. Aber wenn mir jemand eine Aufgabe übertrug, dann versuchte ich es immer ganz besonders zu machen, denn es war immer etwas Besonderes für mich, wenn mich jemand sah und wertschätzte, indem mir sie oder er eine Verantwortung übertrug. Loslassen konnte ich schwer. Timing stand meinem strategischen Chaos ab und an im Weg, was ich aber im Alter irgendwann gut managen konnte. Zu spät war ich so gut wie nie, aber immer erst auf dem letzten Drücker am Gas. Es braucht entweder Adrenalin oder hohes Involvement, dass ich nicht nur brenne, sondern auch sprudel oder fliege.
Diese Reflexion überkam mich heute spontan, als einer meiner Söhne mit seinem ersten selbst genähten Federmäppchen nach Hause kam.
Stolz wie Oskar, zurecht. Aber um die Kinder von Caro geht es nicht. Es geht um erwachsene "Heldenkinder" und Herauswachsen aus alten Rollenmustern.
Als ich meine Kinder heute ins Bett brachte, war ich völlig K.O. Ein sehr ergiebiger Tag. Wir konnten ein weiteres Produkt launchen und ich hatte heute das Vergüngen mit zwei Königen gute Gespräche zu führen, die beide auch noch denselben Vornamen tragen. Aber dazu sicher einmal an einer anderen Stelle und zu einem anderen Zeitpunkt mehr. Also jedenfalls lag ich völlig erschöpft im Bett und trieb die beiden Trödelbären wie üblich vom Zähneputzen zum gemeinsamen Lesen. Als einer der Beiden sein Buch für heute aussuchte, fragte der andere "Mama, machst Du uns noch Wärmflaschen?".
Mein erster Impuls im Hirn: Sag ihnen es ist nicht mehr Winter und schon warm genug ohne Wärmflaschen zu schlafen, außerdem energiesparend...
Mein zweiter Impuls im Herz: Wie sehr fehlten Dir Abend- oder Morgenrituale mit Deiner Mama. Wenn sie sich heute Wärmflaschen wünschen, dann fühlen sie sich sicher sehr geborgen, wenn sie damit einschlafen.
Mein dritter Impuls im Bauch: Steh auf und mach ihnen Wärmflaschen. Du wirst Dich igrndwann nach der Zeit sehnen, in der sie abends noch ganz viel Kuschelzeit mit Mama brauchten und Dich sicher gerne an den Abend zurück erinnern.
Und so ist es nun auch. Wir haben heute Abend einen besonderen Moment erleben und bewusst festhalten können. Ich ging nochmals in die Küche und machte ihnen Wasser heiß. Dann kam der Federmäppchenkünstler und zeigte mir erneut sein Federmäppchen. Ich hatte es nachmittags schon gewürdigt - wirklich - dafür nehme ich mir immer einen Moment. Aber eben nur einen Moment bevor wir zum Taekwando fuhren.
Also hatten wir nun mehr Ruhe. Ich war gelassener und wir hatten viel mehr Zeit uns alle verschiedenen Stichmuster anzusehen und genau darüber zu sprechen wie er das Mäppchen genäht hat und wie das für ihn war.
Hätte ich das damals in einer Weinlaune auch erlebt? Vielleicht. Als ich noch sehr gerne trank, redete ich mir häufiger ein, ich wäre so mit 1-2 Gläsern Wein abends einfach ein viel veträglicherer Mensch. Mit kontrolliertem Weingenuß hatte ich ab und an wirklich den Eindruck, ich wäre eine wesentlich entspanntere Mutter. Häufig gönnte ich mir zum Feierabend einen guten Rotwein, nicht weil ich meine Kinder weg organisieren wollte, sondern weil ich abschalten und mich auf ihre Geschichten, Spiele und Nähe richtig einlassen und fokussieren wollte. Das ging auch eine Zeit lang gut. Bis ich immer mehr Verlangen nach Wein bekam. Dann trank ich einfach zu viel wenn sie im Bett waren und kam immer schwerer durch den Tag. Dann fühlte sich plötzlich alles noch schwerer an und immer mehr Probleme und Trinkmomente kamen plötzlich dazu ... Irgendwann hatte ich keinen Alltag mehr, von dem ich entspannt abschalten und mich genüßlich belohnen konnte, sondern nur noch einen Alltag, durch den ich schnellstmöglich kommen wollte...Da schien der Alltag plötzlich nüchtern kaum erträglich...
Ich bin heute noch unfassbar dankbar, dass ich es aus diesem Leben für meine Kinder und mich raus geschafft habe.
Ich glaube mein "Heldennarrensein" werde ich vielleicht nie komplett ablegen können und halte es stets wie Deichkind "Denken Sie groß". Aber ich habe gelernt, dass ich ohne Alkohol so viel mehr Heldentaten meiner Mitmenschen miterleben kann und viele Momente im Jetzt mit Leichtigkeit, Zufriedenheit und einer inneren Ruhe ohne Scham- und Schuldgefühle und vor allem ohne dem Drang jemand anderem irgendetwas Recht machen zu müssen - viel freier leben zu können.
In meinem Leben mit Alkohol war ich von einer Suche nach Heldentaten oder Schulterklopfen angetrieben, wodurch meine ursprüngliche Intuition an neuralgischen Stellen gerne mal verloren ging. Erst im Eingeständnis meiner Suchterkrankung als mutigste Erkenntnis bisher konnte das Heldenkind in mir zur Ruhe finden, was natürlich nicht bedeutet, dass ich Ruhe gebe :-)